Nach einer erzwungenen, zweiwöchigen Grippe-Pause bin ich insoweit wieder fit, dass ich mich auf meinen morgigen Vortrag im Hegel-Haus freue. Er nimmt Bezug auf mein „Blaues Buch von der Freiheit“, das, wie ich gesehen habe, mittlerweile vergriffen ist. Eine Neuauflage steht also an. Das Vorwort des blauen Buches hatte ich geschrieben am 27. August 2020. Das war Hegels 250. Geburtstag. Hier der Anfang des Vorworts:
Der Mensch ist ein freies Wesen. – Dieser Satz und Gedanke prägt so sehr das Selbstverständnis des modernen Menschen, dass er den meisten als eine Selbstverständlichkeit gilt, die außer Frage steht. Und damit zusammenhängend gelten dann auch die Freiheitsrechte, wie sie das Grundgesetz garantiert, als etwas Selbstverständliches: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, Berufsfreiheit, Religionsfreiheit usw. Das Grundgesetz gewährt und garantiert diese Rechte, weil es den Menschen als ein freies Wesen anerkennt, woraus unmittelbar das Grundrecht auf Freiheit oder Selbstbestimmung folgt, das sich so formulieren lässt: „Jeder Mensch hat das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben.“
Dieses eine Recht, das sich zu den vielen Freiheitsrechten verzweigt, ist das Fundament der liberalen Gesellschaft sowie der demokratischen Staatsordnung. Aber wie das Grundgesetz alles andere als selbstverständlich ist, wie es eine dunkle, finstere Vergangenheit zum Hintergrund hat – Besatzung, Weltkrieg, Terror und unvorstellbare Greuel –, so verbindet sich auch mit dem Grundrecht auf Freiheit etwas Dunkel-Abgründiges: Es hat nämlich zur Wurzel die Freiheit des Willens: „Der Mensch ist ein freies Wesen mit einem Recht auf Freiheit, weil er einen freien Willen hat.“
Wäre sein Wille nicht frei: wie sollte der Mensch dann ein freies Wesen sein? Er wäre dann höchstens in der Illusion der Freiheit befangen. Es ist leicht einzusehen, dass die Freiheit des Willens die Basis aller Sittlichkeit ist, aber seit den Anfängen von Philosophie und Wissenschaft ist die Willensfreiheit ein Gegenstand des Streits, ein Nest voller Probleme und Schwierigkeiten, Bedenken und Fragezeichen, – so sehr, dass Leibniz meinte, es gebe für den menschlichen Verstand nur zwei große Labyrinthe: die Unendlichkeit und die Freiheit (des Willens). Das erste beschäftige nur den Philosophen, das zweite aber bringe fast das ganze Menschengeschlecht in Verwirrung.